Erstattung

Arbeitsthesen - Arbeitsgruppe 4

"Von der CE-Kennzeichnung bis zur Finanzierung durch die GKV"

Hintergrund

Mit der CE-Zertifizierung wird Medizinprodukten zwar grundsätzlich der Marktzugang ermöglicht, jedoch ist teilweise die Aufnahme in die Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) - und damit in die Regelversorgung - davon unabhängig und bedarf zusätzlicher Voraussetzungen. Dabei gestaltet sich die Aufnahme in die Finanzierung durch die GKV in Deutschland - auch sektoral - differenziert und komplex. Sie ist für die Chancen, Investitionen in Forschung und Entwicklung in der Medizintechnik refinanzieren zu können, von zentraler Bedeutung. Die Arbeitsgruppe widmet sich damit einem für das Innovationsgeschehen der Medizintechnik hoch relevanten Thema.

Die Arbeitsgruppe 4 fokussiert auf die Rahmenbedingungen der Eingangswege zur Finanzierung durch die GKV und die teilweise vorgelagerte Nutzenbewertung von Medizinprodukten und damit verbundenen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sowie Aspekte der praktischen Umsetzung. Es sollen mögliche Methoden und Spezifika der Nutzenbewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden unter Einsatz von Medizintechnik und Medizinprodukten herausgearbeitet werden. Ebenso sollen Unterstützungsmöglichkeiten für den Hersteller bei der Nutzenbewertung erarbeitet werden.

Thema 1 "Verfahren der Nutzenbewertung und (rechtliche) Rahmenbedingungen"

Bei Medizintechnik, die mit neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden verbunden ist, ist der Zugang zur GKV-Finanzierung anders als bei Arzneimitteln geregelt. Überwiegend wird innovative Medizintechnik über den stationären Sektor in die Versorgung eingeführt, wo aufgrund des Verbotsvorbehalts gemäß § 137c SGB V eine Erbringung und Finanzierung der Innovation zunächst grundsätzlich erfolgen kann. In der Arbeitsgruppe sollen die damit verbundenen Verfahrensabläufe und ihre praktischen Probleme für Hersteller, Leistungserbringer und Kostenträger erörtert werden, insbesondere die Einordnung als NUB (Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode), die Umsetzung in entsprechende Vereinbarungen einzelner Krankenhäuser mit den Krankenkassen (einschließlich NUB-Überprüfung durch den MDK), aber auch die ggfs. anschließende Berücksichtigung im Fallpauschalensystem. Auch die über Anträge der Antragsberechtigten veranlasste Nutzenbewertung stationär eingesetzter, mit Medizintechnik verbundener medizinischer Methoden durch den Gemeinsamen Bundesausschuss ist mit Blick auf ihre praktischen Probleme zu thematisieren. Insbesondere steht die Bewertung des patientenrelevanten Nutzens im Mittelpunkt, aber auch der Stellenwert des Anwendernutzens mit seinen möglichen Auswirkungen auf Effektivität und Effizienz der Versorgung ist dabei zu berücksichtigen.

Soweit medizintechnische Innovationen über die vertragsärztliche Versorgung in die GKV eingeführt werden, gilt grundsätzlich der Erlaubnisvorbehalt gemäß § 135 SGB V. Die Zugangswege in die GKV sind für unterschiedliche Produktarten zu differenzieren, da der Zugang teilweise über den Bewertungsausschuss oder bundesmantelvertragliche Regelungen und teilweise über den Gemeinsamen Bundesausschuss erfolgt. Die verschiedenen Wege bzw. Verfahrensabläufe sind mit Blick auf Möglichkeiten der Vereinfachung und des Schaffens größerer Transparenz zu erörtern.

Thema 2 "Methodik der Nutzenbewertung von medizintechnischen Innovationen"

Internationale Erfahrungen zur Methodik der Nutzenbewertung von medizintechnischen Innovationen können ausgewertet und unter Berücksichtigung der Struktur der deutschen Medizintechnikbranche mit kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) auf ihre Übertragbarkeit hin bewertet werden.

Dies bezieht sich einerseits auf die Anforderungen an den Nutzenbeleg. Dabei wird zu klären sein, welche Nutzendimensionen zu berücksichtigen sind und nach welchen Aspekten die Nutzenbewertung vorgenommen werden sollte, ggf. differenziert nach verschiedenen Klassifikationen von medizintechnischen Innovationen. Die Aussagekraft der Belege klinischer Prüfungen im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens für die Nutzenbewertung zum Eingang in die GKV - und damit verbunden die Frage der Generierung des Nutzennachweises bereits im Entwicklungsprozess - ist einzuordnen. Zu thematisieren ist auch, wie nicht-produktbezogene Einflüsse auf medizintechnische Innovationen (wie die Lernkurve des Anwenders) bei der Nutzenbewertung berücksichtigt werden sollen.

Andererseits ist zu erörtern, welche Studiendesigns für die Nutzenbewertung geeignet und erforderlich sind. Transparenz und Kostenaspekte legen die prototypische Entwicklung von Studiendesigns nahe, deren Belastbarkeit und wissenschaftliche Aussagekraft es im Einzelfall einzuschätzen gilt. Auch ist zu erörtern, inwieweit eine Standardisierung bei der Festlegung der Vergleichsverfahren, denen gegenüber Innovationen bewertet werden sollen, möglich ist.

Thema 3 "Spezifika der Nutzenbewertung bei bestimmten Produktgruppen bzw. damit verbundener Behandlungsmethoden"

Ein einheitliches und global anwendbares Vorgehen einer Nutzenbewertung für alle medizintechnischen Produkte (ohne Berücksichtigung der Besonderheiten im jeweiligen Fall) ist im geltenden Rechtsrahmen nicht vorgesehen und könnte auch künftig als nicht sachgerecht angesehen werden. Grundlegend für jegliche Nutzenbewertung sind jedoch die Bewertungsprinzipien und Evidenzstufenkonzepte der evidenzbasierten Medizin, wie sie z.B. in der Verfahrensordnung des G-BA oder dem Methodenpapier des IQWiG niedergelegt sind. Vor diesem Hintergrund ist über die Möglichkeit sowie die Notwendigkeit von gesonderten Regelungen für Medizinprodukte mit spezifischen Charakteristika zu diskutieren. Beispiele für solche spezifischen Problemkonstellationen wären etwa komplexe Produkte aus dem Bereich der Systemlösungen von Diagnose und Therapie (darunter z.B. auch "companion diagnostics" der personalisierten Medizin) oder Medizinprodukte, bei denen der patientenrelevante Nutzen erst für einen langen Zeithorizont festgestellt werden kann. Auch ist der Umgang mit Schrittinnovationen zu thematisieren. Spezifische Aspekte der Ausgestaltung der notwendigen Studien, der statistischen Robustheit sowie der geeigneten Endpunktwahl sind zu thematisieren.

Thema 4 "Operative Aspekte der Nutzenbewertung unter Berücksichtigung des Innovationszyklus"

Eine zu berücksichtigende Besonderheit in der dynamischen Medizintechnikbranche sind die gegenwärtig vielfach kurzen Innovationszyklen, wobei einerseits unklar ist, inwieweit Trends wie die Entwicklung von Systemlösungen hier wesentliche Änderungen bewirken werden, andererseits gleichwohl das Nutzenpotenzial sich oftmals erst nach deutlich längeren Zeiträumen abschätzen lässt. In jedem Falle bestehen komplexe Wechselwirkungen zwischen Innovationszyklus, Finanzierbarkeit und Rahmenbedingungen einer Nutzenbewertung. Der Zeitpunkt und die Dauer von Nutzenbewertungen und Health Technology Assessments (HTA) als Voraussetzung für den Beginn der Finanzierung durch die Kostenträger, kann erhebliche Auswirkungen auf die Dauer der wirtschaftlichen Nutzung und damit auf den Umsatz und letztlich die Refinanzierung der FuE-(Innovations)Kosten haben. Dies trifft im Besonderen die klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU) der deutschen Medizintechnikbranche. Andererseits dient die Nutzenbewertung allerdings auch dazu, die Patientinnen und Patienten vor unwirksamen oder gar schädlichen medizinischen Methoden zu bewahren und die Belastung der Kostenträger durch Neuentwicklungen ohne erkennbaren Vorteil zu vermeiden.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach dem "idealen" Zeitpunkt für die Planung und Durchführung von Nutzenbewertungen für die Zwecke des Eingangs in die GKV-Versorgung. Die Möglichkeiten des durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz neu geschaffenen Instrumentariums der Erprobung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (§ 137e SGB V) sind auszuloten.

Thema 5 "Unterstützung der Medizintechnik-Branche im Rahmen der Nutzenbewertung"

Insbesondere für die KMUs ist zu ermitteln, ob Bedarf an Beratungsangeboten besteht und welche weiteren Unterstützungen mit Blick auf eine Nutzenbewertung als wünschenswert angesehen werden. Dies schließt die Frage nach neuen Finanzierungsmodellen innerhalb und außerhalb der GKV ein.